6.48 Uhr auf Gleis 1. oder Wie Musik alles verändern kann.

Es ist 6.48 Uhr und alles um mich herum ist dunkel und ruhig. Gut, nicht alles. Die Lautsprecherdurchsagen am Bahnsteig durchdringen sogar die Lautstärke meines Mp3Players. Aber man will sich ja nicht beklagen.
Dennoch. Die wenigen Menschen um mich herum scheinen nicht daran interessiert großartige Konversationen zu betreiben. Schade eigentlich. Wo ich doch so gerne lausche. Aber gut. Das gibt mir die Möglichkeit, dass gesamte Geschehen mal auf eine etwas andere Art und Weise zu betrachten. Mp3Player lauter und das Geschehen, um mich herum, nur mit den Augen wahrnehmen. Versucht das Mal, dass ist eine wirklich interessante Erfahrung. Ganz im Ernst.
Gerade eben dröhnt die Textzeile „…nothing compares to you.“, durch meine Kopf und lässt den gläsernen Blick eines Fremdes, innerhalb eines vor mir stehenden Zuges fast schon wie der Ausdruck einer Sehnsucht erscheinen. Wäre die ganze Szenerie in diesem Augenblick mit „…das sind Dinge, von denen ich gar nichts wissen will.“, unterlegt gewesen, hätte der Blick des Fremden höchst wahrscheinlich eine vollkommen andere Botschaft für mich bereit gehalten. Ganz zu schweigen von „…you´re a womanizer.“ Hallo?

Während ich so weiterhin die Leute um mich herum beobachte und ihre morgendlichen Eigenarten studiere, bekomme ich langsam den Verdacht, dass ICH hier das eigentliche Opfer der Beobachtung bin. Schließlich bin ich die Einzige auf diesem Gleis und hocke mit meinen drei Gepäckstücken, die alle samt ebenso schwarz sind, wie meine Jacke auf einer dieser Eisensitzen. Die Menschen, welche ich für „meine Opfer“ gehalten habe, stehen alle gegenüber auf Gleis 2 und warten ungeduldig auf ihre S-Bahn. Doofer Weise ist das Einzige, worauf sie dabei blicken können, das gegenüber liegende Gleis. Mein Gleis. Und da ich die Einzige hier bin…Herrje!
Schnell überschlage ich gekonnt meine Beine und versuche ein wenig lässiger zu wirken. Tuch zurrecht gezupft, Hände in den Taschen vergraben, skeptischer Blick aufgelegt. Bestens.
Und gerade, als ich anfange mich mit der Rolle des Beobachtungsopfers zu arrangieren, stürmt eine ganze Menschenmasse Gleis 1. Verblüfft schaue ich dabei zu, wie sie alle abgehetzt und wenig gut gelaunt wirken. Was genau hab ich verpasst?
Ah. Eine Bahn fährt ein. Leider nicht meine. Aber eine Doppeldeckerbahn. Ich kann also gleich doppelt so viele Leute betrachten und analysieren, als üblich. Prima Sache.
Ein schneller Blick über den gesamten Wagon der vor mir steht, dann entscheide ich mich für die Frau im oberen Teil des Zuges. Die ist vollkommen vertieft in ihre Zeitung...zumindest scheint es so. Denn im nächsten Augenblick dreht sie mir ihr Gesicht zu und telefoniert dabei wild gestikulierend, mit irgendwem, der in diesem Moment irgendwo ihre offensichtliche Schimpftirade über sich ergehen lassen muss. Und das um kurz vor sieben am Morgen. Meine Güte..
Ich lasse meinen Blick noch mal schweifen und bleibe bei einem Mittdreißiger hängen, welcher matt einen Coffee-to-go schlürft und nicht wirklich in großer Vorfreude auf seinen bevorstehenden Tag zu sein scheint. Schade eigentlich. Er sieht wirklich gut aus und trägt einen teuren Mantel. Neben ihm steht eine Laptoptasche. So schlecht kann es ihm also nicht gehen…andererseits, wer weiß schon, was gerade so privat bei ihm läuft. Da steckt man ja nicht drin.
„…please, please, please…let me sleep.“ Ja. Schlafen wäre in diesem Augenblick eine wirklich hervorragende Zeitverschwendung. Macht sich hier mitten auf Gleis 1 –welches inzwischen, abgesehen von meiner Person, wieder vollkommen leer ist – nur ein wenig schlecht. Wobei. Ich habe Gepäck dabei und bin frisch geschminkt. Für ne Pennerin würde man mich also schon mal nicht halten. Meine Haare sind auch zusammen gebunden, ich wirke also auch nicht, wie eine Halbwilde. Bestens. Aber nein. Zum Schlafen ist es hier eindeutig zu kalt. Außerdem laufe ich dann Gefahr meinen Zug zu verpassen. Und das ist das Letzte, was ich will. Weimar ruft schließlich nach mir.
Und WIE es ruft. Es lockt mit Omas guter Küche, diversen Verabredungen mit Freunden und dem Fasching im Volkshaus. Hallo? Da lass ich mich doch nicht zwei Mal bitten. Nöö nöö. Wenn Weimar ruft, springt Curls. Jap.
Manch einer könnte das jetzt erbärmlich nennen, aber dagegen möchte ich mich deutlich aussprechen. Ludwigsburg hat grad nix zu bieten. Alle fahren heim, weil die vorlesungsfreie Zeit begonnen hat und wir alle noch ein paar Tage Zeit haben, ehe es auf große Kölnexkursion geht.
Köln. Ein Buch mit sieben Siegeln für mich. Aber das wird sich ja dann schon bald ändern. Muha. Curls goes Köln. Das klingt doch nach was. Oder nicht?

Wie dem auch sei. Mittlerweile sitze ich schon in meinem 3. und somit letzten Zug für heute und es ist 10.45. Die Frau neben mir war ein wenig geflasht, als ich meinen Laptop rausgeholt hab, aber nun liest sie friedlich ihr quietschgrünes Buch. Gut so. Die Frau mir gegenüber macht übrigens seit geschlagenen 30 Minuten einen auf „totaly bussy“ Frau. Tzzzzz, als würde ihr das jemand abnehmen. Aber gut. Soll sie ihren Terminplaner wälzen und fünf Mal das Gleiche hinschreiben. Merkt ja keiner (außer ich) und wirkt seeeeeeehr geschäftig. Wers brauch..

Ansonsten, meine Lieben, was soll ich sagen? Die Zeit verging wie im Flug. Das 1. Semester ist hiermit offiziell beendet und ich bin bereits für das 2. gemeldet. Meine Fresse. Wenn das so weiter geht, schreib ich übermorgen schon meine Bachelor-Arbeit. Kein sonderlich toller Gedanke..aber auch ein wenig übertrieben. Von daher. Keine Panik. Jetzt heißt es erstmal Weimar genießen, dann Köln kennen lernen, zurück nach Weimar und dort Hausarbeit schreiben und auf die mündliche Prüfung vorbereiten.
Ihr seht schon, es wird nicht langweilig bei mir.
Ich melde mich bald wieder. Gehabt euch wohl.

Curls. <3

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